Dülmen. Zeit und ein offenes Ohr - das sind die Faktoren, die Peter Timmers und Jochen Reiß einbringen können. „Wenn wir gerufen werden, ist meist der schlimmste Fall eingetreten: Ein Mensch ist gestorben.“ Ob Arbeitsunfall, plötzlicher Kindstod, Herzinfarkt, Selbstmord oder auch Verkehrsunfall. Peter Timmers und Jochen Reiß sind zwei von insgesamt rund 40 Notfallseelsorgern im Kreis Coesfeld. Die Palette, mit denen die beiden 68-jährigen Dülmener betraut werden, ist groß.


Zusammen mit Polizisten überbringen sie meist Todesnachrichten an Angehörige, kümmern sich um Unfallbeteiligte vor Ort. Jochen Reiß: „Kein Mensch soll in unserer atomisierten Gesellschaft, wo Nachbarschaft und Familie nicht immer sofort funktionieren, alleine sein.“ Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei müssten oft recht schnell wieder zurück an die Arbeit. „Wir bringen Zeit mit. Stehen oft stundenlang für Gespräche zur Verfügung, bis Angehörige dazukommen. Dann erst ziehen wir uns zurück“, so Timmers.
Seit 1999, also mit der Gründung durch Martin Neß (Senden), steht das Duo den Menschen in den schwersten Stunden bei. Rund 100 Einsätze gibt es pro Jahr für die etwa 40 Notfallseelsorger im Kreisgebiet. Jochen Reiß: „Es geht immer um die Menschen, um die Seele - und das konfessionsübergreifend.“ Die Kunst sei es, „aktives Zuhören im geschützten Raum zu ermöglichen.“ Oft brauche es eine Zeit, bis sich ein Gespräch entwickelt. Peter Timmers: „Manchmal ist es schon genug, wenn man jemanden in den Arm nimmt, eine Hand zum Festhalten bietet.“ Im Laufe der Jahre haben die beiden Dülmener viele Erfahrung sammeln müssen und können. Die Deutschen seien meist sehr ruhig. Timmers: „Da dauert es, bis das wichtige Gespräch zustande kommt.“ Türkische Mitbürger würden ihren Kummer oft laut herausschreien. Gelegentlich suchen Betroffene Halt im Alkohol. „Das ist aber ganz schlecht.“ Alkohol verschiebe nur die Phase der Auseinandersetzung mit den unvorstellbaren Tatsachen, sagt Jochen Reiß, ehemaliger Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Dülmen. Aber eines hat er auch gelernt: „Kein Fall gleicht dem anderen.“
Reiß und Timmers stehen auch den Einsatzkräften von Feuerwehr und Rettungsdienst als Fachberater für Gespräche nach belastenden Einsätzen und für Fortbildungen zur Verfügung. Selbst haben die beiden Dülmener durch Pädagogen und Psychologen das Rüstzeug für ihre Arbeit, die im Bereitschaftsdienst erfolgt, erhalten. „Regelmäßig nehmen wir auch an Aus- und Fortbildungen teil.“ Anders ginge das nicht. „Denn auch unsere Seele wird, gerade bei Einsätzen mit Kindern und Jugendlichen, stark berührt.“ Gespräche der Notfallseelsorger untereinander sowie mit Vertrauenspersonen, wie Pfarrern, „geben dann ein Stück Sicherheit.“